Hypnobirthing: Mythos oder wirksame Geburtsvorbereitung?

9/4/20253 min read

Als ich zum ersten Mal von Hypnobirthing hörte, war ich noch in der Ausbildung. Die Vorstellung klang für uns Hebammen ziemlich unrealistisch: Eine schmerzfreie Geburt? Wir waren uns sicher, dass das nicht funktionieren kann. Dazu kamen praktische Sorgen: Was, wenn die Frau in der Hypnose nicht mehr ansprechbar ist? Dürfen wir bestimmte Wörter wie "Wehen" nicht mehr verwenden?

Meine erste praktische Erfahrung lehrte mich eines Besseren.

Als ich zum ersten Mal eine Frau begleitete, die Hypnobirthing praktizierte, war ich überrascht. Die Gebärende war in einem entspannten Grundzustand, atmete während der Wehen tief und gleichmäßig und konnte ganz normal auf meine Fragen antworten. Als ich versehentlich "Wehe" statt "Welle" sagte, reagierte sie nicht einmal darauf – sie schien es gar bemerkt zu haben.

Diese grundsätzliche Ablehnung der Hebammen war eigentlich Schade, denn eine entspannte Gebärende ist für jede Hebamme ein Geschenk im Vergleich zu einer panischen Frau, die bei jeder Wehe die Wände hochgeht. So ungerechtfertigt ist, die Kritik der Hebammen, jedoch auch nicht, aber dazu später mehr. Ersteinmal ein wenig Theorie..

Was ist Hypnose unter der Geburt (Hypnobirthing) wirklich?

Hypnobirthing hat nichts mit der klassischen Show-Hypnose zu tun, wo Menschen fremdgesteuert agieren. Es ist vielmehr eine Form der Selbsthypnose. Grundsätzlich stehen dabei zwei Techniken im Mittelpunkt.

1. Mentale Techniken
  • Affirmationen: Positive Sätze wie "Mit der Ausatmung entspanne und öffne ich mich. Mit der Einatmung tanke ich Kraft."

  • Visualisierungen: Beruhigende Bilder im Kopf kreieren

  • Geführte Meditationen: Wochen vor der Geburt tägliches anhören

2. Atemtechniken
  • Bewusstes Verlängern der Atemzüge durch innerliches Mitzählen

  • Fokussierung auf die Atmung als Entspannungsanker

Diese Techniken fördern Tiefenentspannung und schaffen ein Gefühl der Sicherheit – zwei entscheidende Faktoren, die den gefürchteten Angst-Spannung-Schmerz-Kreislauf durchbrechen können und so die Geburt positiv beeinflussen.

Die Wissenschaft dahinter

Der "Trick" liegt in der Aufmerksamkeitslenkung: Wenn das Gehirn stark auf die Hypnose fokussiert ist, werden Schmerzimpulse zwar wahrgenommen, aber möglicherweise nicht vollständig weiterverarbeitet.

Du hast das bestimmt auch schon erlebt: Beim Autofahren mit einem spannenden Podcast – plötzlich zu Hause angekommen, ohne sich an Details der Fahrt zu erinnern. Du hast zwar alles wahrgenommen und konntest sicher am Verkehr teilnehmen, aber warst mental ganz "woanders". Wenn dir das auch schon passiert ist, dann warst du schon mal in Hypnose.

Meine persönlichen Erfahrungen

Für meine eigene Geburt passte Hypnobirthing nur teilweise. Die abstrakten Traumreisen sprachen mich nicht an und manche Atemtechniken waren zu lang und wirkten eher kontraproduktiv. Besonders in der Austreibungsphase wollte ich den natürlichen, instinktiven Drang mitzuschieben nicht "wegatmen" – das fühlte sich falsch an.

Dennoch halfen mir andere Aspekte sehr: Die Meditationen brachten mich in wirklich tiefe Entspannung, positive Assoziationen stärkten mich unterbewusst, und ich bin überzeugt, dass diese Vorbereitung zu meiner wunderschönen, natürlichen Geburt beigetragen hat.

Die Realität unter der Geburt: Ich vergaß alle Techniken, spielte nicht einmal die vorbereitete Entspannungsmusik ab. Es war alles unwichtig geworden und ich gab mich vollkommen dem Prozess, der mich einfach überrollte, hin – was vielleicht gerade durch die Vorbereitung so gut möglich war.

Fazit: Realistische Einschätzung

Hypnose, Meditation und Entspannungstechniken sind wertvolle Werkzeuge für die Geburtsvorbereitung und können bei richtiger Anwendung zu einer schmerzärmeren, ja sogar zur Traumgeburt (mit oder ohne Schmerzen) führen.

Für Frauen, die jedoch in den Kursen eine unrealistische Erwartungshaltung von einer vollkommen schmerzfreien Geburt vermittelt bekommen und im Kurs nicht einmal ein Plan B angesprochen wird, stimmt der obere Satz wahrscheinlich weniger. Wenn dann irgendetwas anders verläuft, fällt man aus allen Wolken und hat auch keine Methoden, wie damit umzugehen ist.

Deshalb betone ich: Erfolg braucht Bedingungen:

  1. Einen realistischen Kurs wählen – der ehrlich über alle Möglichkeiten aufklärt und für alle Szenarien wappnet

  2. Tägliches, intensives Üben – auch in realen Stresssituationen

  3. Ganzheitliche Betrachtung – äußere Faktoren wie Geburtsort, körperliche Gesundheit und das Geburtsteam sind ebenso wichtig

Und zum Schluss noch mein Herzenstipp: GO WITH THE FLOW – manchmal ist es das Beste, alle Techniken loszulassen und dem körperlichen Instinkt zu folgen